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Karabagh
Das Karabagh-Gebiet liegt südöstlich vom Kasak-Gebiet, kann aber nicht mit der heutigen Enklave Naghorny-Karabagh verglichen werden. In der wechselvollen Geschichte Karabaghs herrschten oft die Perser über das Gebiet. In der persischen Sprache heißt Karabagh soviel wie "schwarzer Garten". Die Bezeichnung der mehrheitlich hier lebenden Armenier ist "Ar-zach".
Die Teppiche Karabaghs unterscheiden sich zunächst strukturell von denen des Kasak-Gebietes. Erstens weisen die Teppiche Karabaghs eine Schichtung auf. Ein Teppich ist dann geschichtet, wenn die Kettfäden nicht in einer Ebene, also parallel, sondern in einem gewinkelten Verhältnis zueinander liegen51.
Die Kettfäden der Oberkante werden meist mehrfach horizontal miteinander abgeflochten, wo hingegen an der Unterkante die Abschlüsse, produktionstechnisch bedingt, verdrallt bleiben. Die Seitenkantenabschlüsse oder das sogenannte "Schirasi" (pers. schirazeh) umfassen meist die äußersten zwei bis drei Kettfäden, die mit naturbelassener brauner Wolle eingefaßt werden. Das Karabagh Knüpfgebiet war schon seit den frühen Mittelalter eine bekannte Knüpfgegend, die für ihre ausgezeichnete Färbung bekannt war. Unter den persischen Safawiden entstanden in Karabagh einige Hofmanufakturen. Schah Abbas erkannte bald das handwerkliche Geschick der Kaukasier und siedelte zahlreiche Armenier aus der Stadt Dschulfa im Kaukasus nach "Neu Dschulfa" in der Nähe von Isfahan, der iranischen Residenzstadt an.
- Chondsoresk (sogenannte "Wolkenband"-Kasak)
Obwohl der Chondsoresk, ebenso wie der Tschelaberd, dem Kasak sehr nahe steht, zählt er wegen seiner geographischen Lage zu den Karabagh-Teppichen. Bis auf die für Karabagh-Teppiche typischen braunen Schußfäden, hat der Chondsoresk alle Merkmale des Kasaks, wie den schweren Griff, den hohen Flor, grobe Knüpfung, kräftige Wolle, die kraftvollen Farben und die großflächige Musterung. Das berühmte Motiv des Chondsoresk ist das sogenannte Wolkenband-Motiv. Das Wolkenbandmotiv dürfte eine Weiterentwicklung des chinesischen Phönix-Drachenmhythos sein. Nach chinesischem Glauben ist der Drache ein dem Menschen wohlgesinntes Tier. Dieser Glauben steht im Gegensatz zur europäischen Vorstellung des Ungeheuers. Der Drache der sich in Wolken verwandeln kann, spendet dem Menschen das wertvolle Wasser. Das Wolkenbandmotiv wird demnach als Fruchtbarkeitssymbol interpretiert. Im Zentrum des Wolkenbands steht ein Rechteck, das ein auf meist hellem Grund abgebildetes Swastika, das den Wunsch nach Glück beinhaltet. (Abbildung 1, Quelle: Georg & Aznif Wien)
- Tschelaberd (sogenannte Adlerkasak)
Tschelaberd ist eine Siedlung zwischen Chondsoresk und Jerewan, nördlich des Ararat gelegen. Ebenso wie der sogenannte Wolkenband-Kasak aus Chondsoresk sind die Adlerkasaks in vielen Merkmalen dem Kasak-Gebiet sehr ähnlich. Wie beim Kasak finden wir kräftige Farben, kraftvolle Wolle, großflächige und urwüchsige Ornamentik. Wegen der geographischen Lage und wegen der braunen Schußfäden zählt man den Tschelaberd zu den Teppichen aus Karabagh.
In Tschelaberd sind die meisten sogenannten Adler-Kasaks beheimatet. Das radial angeordnete Adlermotiv spiegelt sich einerseits an der Horizontalachse, andrerseits auch an der Vertikalachse. Man kann daher feststellen, daß das Adlermotiv aus 4 Adlerkörpern zusammengesetzt ist. Aus religiösen Gründen wird der Kopf des Adlers niemals dargestellt. Man bemerkt jedoch die gespreizten Vogelbeine, den Schwanz, und das Gefieder. Die Fondfarbe des Adlerkasak ist fast ausschließlich ein sattes Krapprot. Das Adlermotiv variiert in der Farbgebung von Türkis bis Stahlblau, welches ebenfalls die Farbe des Phönix ist. Selbst Adlerkasaks die 2 oder 3 Generationen auseinanderliegen haben fast keine Unterschiede in der Ornamentik, was auf die Traditionsliebe und das Festhalten auf die traditionellen, von den Vorfahren überlieferten Mustern schließen läßt. Wenn man jedoch mehrere Adlermotive in einem Teppich abgebildet sieht, bemerkt man, daß der sogenannte Dachbalken ein oktogonales "Göl" darstellt, und das Gesamte Adlermotiv eigentlich eine Anlehnung an die ursprüngliche fortlaufende, rapportmäßige Darstellung ist. Aufgrund der Seltenheit und der enormen Nachfrage nach Tschelaberds ist der Adler-Kasak wohl einer der teuersten kaukasischen Teppiche. (Abbildung 2, Quelle: Georg & Aznif Wien)
- Kasim-Uschag
Die archaisch wirkenden Kasim-Uschags scheinen dieNachkommen der sogenannten "Drachen und Tierkampfteppiche" zu sein. Besonders die wuchtigen weißen Balken weisen Parallelen zu diesen ersten nachweislich kaukasischen Teppichen auf.
Wie bereits im Wolkenband- und Adlerkasak festgestellt wurde haben auch die Kasim-Uschags im Laufe der Generationen kaum eine Veränderung ihrer traditionellen Muster erfahren. (Abbildung 3, Quelle: Sotheby's Auctions » Carpets » lot 18)
- Karabagh-Teppiche mit westlichem Einfluß
Ab dem Ende des 18. Jahrhundert wurden in Karabagh, hier vor allem in der Stadt Schuscha, Teppiche mit stark westlichem Motiveinfluß hergestellt. Russische Besatzungsoffiziere, die im Einrichtungsstil extrem frankophil waren, wollten ihre Salons nach französischen Vorbild einrichten. Deshalb ließen sie Teppiche nach Musterentwürfen aus französischen SavonnerieTeppichen in Karabagh nachknüpfen. Blütenmuster, Aubusson-Muster, und verschiedene Tierdarstellungen wurden geknüpft. Sehr oft wurde mit Chochenillerot gefärbt. Aufgrund der für Karabagh untypischen Musterung, die jegliche Originalität zunichte machte, erzielen solche Muster nur selten einen hohen Preis. Für Liebhaber sind sie jedoch nette Sammlerstük-ke. (Abbildung 4, Quelle Georg & Aznif)
- Karabagh-Gebetsteppiche
Die Gebetsteppiche aus dem Karabagh-Gebiet tragen mit Vorliebe Streifenmuster im Fond, die mit Abwehrzeichen, wie Botehs, gefüllt sind. Auffallend ist auch die unterschiedliche Musterung des Gebetsgiebels und dem übrigen Teppichfond. Während im Gebetsgiebel ein dominantes Muster zu sehen ist, wird der Rest mit kleinen Füllmotiven, geziert.
- Karabagh-Teppiche. die nach ihrem Muster klassifiziert werden
Dazu zählen die Tier-Göl Motive, Botaly-Karabaghs, Karabagh-Teppiche mit Hakenrauten, und die Karabaghs mit Flächenrapport oder All-over Muster. Ein besonderes Muster des Karabagh-Gebiets ist das Goradis-Muster, das eine Sonderform des Flächenrapport-Teppichs ist. Hier werden chinesische Phönix-Darstellungen in einem unendlichen Rapport dargestellt. Aufgrund der Seltenheit von gut erhaltenen Goradis-Karabaghs sind diese Teppiche sehr teuer.
- Eriwan (oder Jerewan)
Jerewan, die Hauptstadt der Republik Armenien ist heute eine große Stadt mit 1,2 Millionen Einwohnern. Die alten und antiken Teppiche aus Jerewan sind relativ fein geknüpft, weisen aber die für diese Region typischen großflächigen Muster auf, die oft aus dem turkmenischen Musterschatz stammen.
Heute werden in Jerewan noch immer Teppiche hergestellt, die jedoch mit den antiken Eriwan nichts gemeinsam haben, da durch die planwirtschaftlichen Manufakturen jegliche Traditionsliebe zunichte gemacht wurde.
- Gendie (sprich: Gendsche)
Der Gendje-Distrikt liegt im mittleren Transkaukasien, wird im Westen vom Kasak-Gebiet, im Süden von Karabagh und im Nordosten vom Schirwan-Gebiet begrenzt. Die Hauptstadt und gleichzeitig der Hauptumschlagsplatz für Teppiche hieß in persischer Zeit Gendje, nach 1804 wurde die Stadt auf Elisabetpol umbenannt. Nach 1918 nannte man die Stadt Kirowabad, die heute in der Republik Azerbeidschan liegt. Sie liegt auf der Bahnstrecke von Baku nach Tiflis und war seit jeher ein alter Karawanen-Umschlagsplatz und Treffpunkt der benachbarten Nomadenstämme.
Die in Gendje gehandelten Teppiche haben ein weites Einzugsgebiet, sodaß es keinen einheitlichen, spezifischen Gendje-Typus gibt. Sie weisen grobe bis mittelfeine Knüpfung auf und haben einen ähnlichen Glanz und Griff, wie die Teppiche des Kasak-Gebietes. Im Gegensatz zu den Kasaks sind die Gendje meist enger geknüpft und werden oft auch niedriger geschoren als die Erstgenannten.
Die Oberkantenabschlüsse erfolgen dadurch, daß nach den Knüpfreihen ein 2 bis 3 cm breiter, leinenbindenartiges Ansatzpalas gewebt wird, der nach vorne umgeschlagen und vernäht wird.
Gendje weisen manchmal "Göl“-artige Flächenmuster auf, die sehr oft archaische Muster aus dem Musterschatz der Turkvölker zeigen. Der Lebensbaum-Gendje weist sehr oft die Darstellung der "Hand der Fatima" auf. Man darf nicht vergessen, daß die Azeris, die diese Teppiche herstellen, bereits früh zur Schia angehörten, und Fatima die Aliden symbolisieren soll.
Ein weiteres beliebtes Muster ist der Gendje mit Diagonalstreifen-Musterung. Als Füllmuster können Achtzacksterne oder Botehs oder andere Muster dienen.
(Abbildung 5, Quelle: Georg & Aznif)
- Talisch
Das Talisch-Gebiet liegt im südöstlichen Teil des Kaukasus, nahe dem Kaspischen Meer, an der Grenze zum Iran. Der Talisch ist einer der eigenwilligsten Teppiche des Kaukasus. Das Format ist meist länglich, wobei die Länge nicht selten das doppelte bis fünffache der Breite des Teppichs einnehmen kann.
Ein weiteres Charakteristikum des Talisch ist ein schmales, meist tiefblaues (eher seltener grün oder rot) Innenfeld, das beim "Met-Haneh"75-Muster einfarbig ist. Dieses Muster tritt beim Talisch nicht selten auf.
Den Talisch kann man außerdem auch an der sogenannten "Talisch Rosette" erkennen, die meist in der Hauptbordüre, die auf naturbelassener Wolle hervorsticht, dargestellt ist. In der Hauptbordüre werden die Achtpass-Rosetten alternierend mit 2 bis 4 Rosettenwürfel abgebildet. Die großen achtpassigen Rosetten des Talisch gehören zum uralten Musterschatz der Turkvölker. Bei den Turkmenen heißt das Motiv Kasa-Kalkan-Schildmotiv, und zählte bei den alten Seldschuken und ebenfalls bei den Gaschgai-Nomaden zu den beliebtesten Motiven. Selbst bei Swastika-Musterung kommt die Achtpass-Rosette häufig vor. Die Kette ist in naturfarbener Wolle gespannt, wobei de Schuß jedoch in Blau gearbeitet wird. Zusätzliche Schußfäden, die als Seitenkanten-Schutzgewebe dienen, sind meist in Blau gehalten, und können bis zu 6 mm breit werden. Das breite, blaue Seitenkanten-Schutzgewebe ist ein weiteres Charakteristikum des Talisch.
Neben dem Met-Haneh, also dem leeren Innenfeld, kommt auf blauem Fond oft auch ein Muster in fortlaufendem Rapport (Achtzacksterne, Boteh) vor. Ein anderes sehr beliebtes Muster des klassischen Talisch Teppichs ist das Rauten- oder Wabenmuster.
Ein spezieller Typus des Talisch sind die Teppiche aus der Stadt Lenkoran, die am Kaspischen Meer liegt. Die Knüpfung und auch die Wolle ist ident mit jener der klassischen Talisch Teppiche. Die Farbstellung jedoch ist in einem schwarzbraunen Fond gehalten, aus dem ein krapprotes Oktogon hervorsticht. Das dominierende Motiv sind die um die Oktogone gelegten weißen Konturenbänder, die an die alten kaukasischen Drachenteppiche erinnern. Die Achtecke werden jeweils von dem sogenannten Tierfell-Ornament, die meist in blau gehalten sind von einander getrennt. (Abbildung 6, Quelle: Spongobongo.com)
- Karadia (sprich: Karadscha)
Die Ortschaft Karadja liegt im persisch-russischen Grenzland, und liegt heute auf der persischen Seite. Die heutige Produktion sind vor allem gröbere Läuferformate, die mit den antiken Teppichen nur den Namen gemeinsam haben.
Der antike Karadja Teppich ist ähnlich im Format wie der Talisch. Meist ist die Musterung gekennzeichnet von formatfüllenden Medaillons, die aufeinander gereiht sind. Karadja Teppiche weisen viele Parallelen zu den Talisch-Lenkoran Teppichen auf: Sie haben wie die Len-korans vor allem Läuferformate, eine schmälere Bordüre, Karadja-Teppiche weisen trotz des hohen Flors (7 bis 9 mm) eine feine Knüpfung auf. Charakteristisch für Karadjas ist die sogenannte Glockenbordüre, die meist in dunkelroter Farbe gehalten ist. Diese Hauptbordüre wird von zwei hell grundigen Bordüren flankiert.
- Mogan
In der "Mogoanskaja", der Mogansteppe, die am Aras-Kura-Knie liegt und im Nordwesten vom Talisch — Gebiet begrenzt wird, leben die Nogai, ein nomadisierendes Turkvolk, die in ihrer Geschichte stets von den benachbarten Völkern des Daghestan, Talisch und Schirwans beeinflußt wurden. Daraus resultiert, daß sich in den Teppichen der Nogai Stilelemente der benachbarten Gebiete verschmolzen haben.
Es besteht auch eine enge ethnische Verbindung zu den Gaschgai und Afscharen Südper-siens, sodass man annimmt, daß diese südpersischen Nomaden ihre Wanderung vom Kaukasus in Richtung Südpersien fortgesetzt haben.
Mogan-Teppiche weisen eine feine, seidige Wolle auf, die mit einer breiten Palette an weichen Pastellfarbtönen, hier vor allem das charakteristische Gelb und ein leuchtendes Cochenille-Rot, koloriert sind. Die Knüpfung ist dicht und fest, sodass der Flor glatt ist. Im Format sind die Teppiche der Nogai stark vom benachbarten Talisch — Gebiet beeinflußt, sodass fast nur Läufer produziert wurden. Mustermäßig kommen neben dem fortlaufendem Rapport auch Kartuschen Göls, Hakenrauten und Stufenpolygone vor.
- Chaili (sprich: Tschaili)
Chaili ist ein Dorf in der Nähe der Mogan-Steppe, wo Teppiche hergestellt werden, die im Vergleich zu den benachbarten Schirwan-Teppichen einen relativ hohen Flor aufweisen (ca. 4 mm). Chaili Teppiche sind die besten Beispiele für die kaukasische Traditionsliebe und Musterreinheit.
Die Hauptmerkmale sind die auf Indigo-blauem Fond hervorstechenden Oktogone, die drei bis vier Mal abgebildet werden, wobei sie einmal rot und einmal weiß alternierend gefärbt sind. Die Innenzeichnung, die oft hakenbesetzte Motive zeigen, erinnern an die turkmenischen und afghanischen Teppiche.
Obwohl die Chaili-Teppiche verhältnismäßig hoch florig sind, weisen sie einen festen Griff und eine feine Knüpfung auf.
- Akstafa
Im äußersten Südwesten des Schirwan-Distrikts, fast an der Grenze zum Kasak Gebiet, liegt die Ortschaft Akstafa. Jacoby, ein Pionier der Kaukasus-Forscher berichtet, dass in Akstafa selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine Teppiche dieser Art mehr geknüpft wurden. Möglicherweise wurden sie von einer ethnischen Minorität geknüpft, die entweder in die dominanteren Völker integriert wurden oder sie sind ausgewandert.
Das Musterschema ist einfach: Große Achtzacksterne stehen medaillonartig zwei bis vierfach auf dem sürmeyblauen Fond. Diese Achtzackstere werden auf jeder Seite von zwei Vögel mit mächtigen Schwingen flankiert. Zunächst vermutete man, daß diese Vögel Pfauen seien, jedoch muß man heute diese Interpretation ausschließen, da im Kaukasus keine Pfauen existieren. Charakteristisch ist auch die sogenannte Kotschanak-Bordüre. In der Färbung erinnern diese Teppiche an das Gendje-Gebiet, mit den zarten Pastelltönen. Im Gegensatz zu den traditionellen Teppichen aus Akstafa stehen die Gebetsteppiche aus dieser Ortschaft. Üblicherweise zeigen Akstafa-Teppiche die typischen Achtzackstere, die bei Gebetsteppichen wegfallen. Anstelle dessen wird ein unendlicher Rapport dargestellt, das oben von einem Gebetsgiebel begrenzt wird.´ (Abbildung 7, Quelle: Privatbesitz, Kunde Wien)
- Schirwan
Das Schirwan-Gebiet liegt sozusagen im Herzen des kaukasischen Teppichgebietes, das im Norden vom Kuba- und Daghestangebiet begrenzt wird, im Osten liegt es Nahe der Stadt Baku, im Süden grenzt es am Talisch- und Mogan Distrikt, im Südwesten an Karabagh und im Westen an das Gendje- und Kasakgebiet.
Die Teppicherzeugung im Schirwan-Distrikt war seit langem bereits kommerziell ausgerichtet. Bereits der safawidische Perserschah Abbas der Große errichte im 16. Jahrhundert hier eine Hofmanufaktur, wo Riesenstücke von 3 Meter Breite und 10 Meter Länge hergestellt wurden. Darin liegt wohl der wesentliche Unterschied des Schirwan-Teppichs zu den übrigen Provenienzen des Kaukasus. Da das Schirwan-Gebiet eine enorm breite Musterpalette entwickelt hat, läßt sich der Schirwan nicht anhand der Musterung bestimmen, sondern es zählen hier vor allem die strukturellen Merkmale für die Klassifikation eines Teppichs aus Schirwan. Da es zahlreiche gemeinsame Muster mit dem Daghestan-, Baku- und Kuba-Distrikt gibt, ist die Struktur des Teppichs maßgeblich.
Die typische Struktur des Schirwan-Teppichs ist ein flacher, glatter ungeschichteter Rücken. Die Kette ist dreifach meist aus dunkelbrauner und naturweißen Wollfäden gezwirnt. Der Schuß wurde zunächst mit naturbelassener Wolle eingetragen. Erst später wurde auch Baumwolle verwendet.
Die Abschlüsse der Teppiche aus dem Schirwan-Distrikt unterscheiden sich in Nord- und Südschirwan. Der Nordschirwan wird an den oberen und unteren Abschlüssen netzartig verknotet und die Seitenkanten werden mit weißer Wolle-in späteren Stücken mit Baumwolleeingefaßt. Der Südschirwan kennzeichnet sich dadurch, daß an der oberen Fransenseite die Fransen zopfartig abgeflochten, während die unteren Fransen verdrallt sind. Dies entsteht dadurch, daß während des Knüpfvorganges die Kettfäden gespannt sind. Nimmt man nun den Teppich nach Fertigstellung vom Warenbaum hinunter, entsteht eine Drehung. Auch beim Südschirwan wird der Seitenkantenabschluß, also das sogenannte Schirasi, durch das Einfassen von 1-2 Kettfäden erreicht. Die Seitenkantenabschlüsse aus weißer Wolle oder Baumwolle ist das einfachste Erkennungskriterium aller Schirwan-Teppiche. Der Flor ist nieder geschoren, samtartig glatt, dicht und fest im Griff. Die Muster des Schirwan-Gebietes sind derart mannigfaltig, daß auch die im folgenden besprochenen Muster nur einen Teil der breiten Musterpalette des Schirwan-Distrikts darstellen.
- Marasali
Im Schirwan-Gebiet gibt es unzählige Gebetsteppich-Typen. Zwischen Bidjov und Chaili liegt das Dorf Marasali, wo einer der schönsten Gebetsteppich-Typen des Kaukasus hergestellt wurde. Die Merkmale sind die rapportmäßigen, das gesamte Innenfeld bedeckenden, flammenartigen Botehs. Innerhalb der hell grundigen Hauptbordüre werden dementsprechend auch im Gebetsgiebel die Botehs wiederholt und mit Wellenranken verbunden. Die Hauptfarben sind meist ein Sürmeyblau, Ockergelb, Weiß und Rot. (Abbildung 8, Quelle: Spongobongo.com)
- Bidjov
Bidjov, eine Ortschaft südlich von Schemacha gelegen, zeigt in seiner Ornamentik ein aufsteigendes Muster, das vielleicht eine bis zur Unkenntlichkeit abstrahierte Drachen und Tierdarstellung darstellen soll. Die Interpretation bleibt jedoch Spekulation, da keine nachweislichen Quellen von diesem Ornament berichten. Dieses Motiv, das sich alternierend wiederholt, ist das primäre Kennzeichen der Teppiche aus Bidjov.
- Surahani
Im südlichen Schirwan-Gebiet und um Surahani herum werden Teppiche geknüpft, die durch göl-artige Formen charakterisiert werden. Die Göls lassen auf den Einfluß der Turkmenen schließen, die jenseits des Kaspischen Meeres leben. Durch die streng geometrische Musterung wirken die Surahani oft etwas steif. (Abbildung 9, Quelle: Georg & Aznif)
- Schirwan-Teppiche, die aufgrund ihrer Muster klassifiziert werden
Die durchgehende Flächenmusterung (Rapport) ist auch im Schirwan-Distrikt beliebt, wobei in der Regel die Motive derart verkleinert sind, daß sie wie Miniaturformen der ursprünglichen Muster erscheinen.
Der Blüten-Schirwan ist eine sehr beliebte Form der durchgehenden Flächenmusterung, die wie die Blüte einer Schnittblume erscheint. Wenn man sich daran erinnert, daß im Schirwan-Gebiet die Motive derart verkleinert werden, sodass Miniaturornamente entstehen, so kann es sich beim sogenannten "Blüten-Schirwan" um Miniaturformen des berühmten Adler-Kasak-Motivs handeln. Die nachstehende Skizze soll diese Überlegung erklärend darstellen.
Blüten-Schirwan Motiv Adler Kasak-Motiv
Skizze entnommen aus: Doris EDER: Kaukasische Teppiche", 1979: 255
Bei Läuferformaten des Schirwan-Gebietes sind die Stangenrauten-Motive vorherrschend. Diese format-füllenden Motive werden oben und unten von roten "Gubpa-Symbolen" geschützt, die möglicherweise eine stilisierte Darstellung des Farwashi-Motiv des Gottes Ahuramazdas ist.
Ein weiteres Muster im Schirwan-Distrikt ist der sogenannte "Tachte-Schirwan" (Abbildung 10, Georg & Aznif). Das Wort "Tachte" hat einen Indogermanischen Stamm (armen.: tag , indisch: taj = Krone). Tatsächlich haben "Tachte"-Schirwan ein thronartiges Hauptmotiv, das mit mächtigen Widderhörnern gekrönt ist. Zwischen den einzelnen Musterreihen, wo die Thronmotive abgebildet sind, wird eine "mihrab (=Gebetsfeld)-artige" Kartusche dargestellt. Meist ist der Tachte-Schirwan auf Indigo-blauem Fond dargestellt.
- Baku
Die Teppichproduktion in Baku ist früher aufgeben worden, als im restlichen Kaukasus, da in der Halbinsel Apscheran Erdöl gefunden wurde. Daher sind die Teppiche aus Baku sehr selten und kostbar. Von den Teppichen des Baku-Distrikt ging eine besondere und zauberhafte Ausstrahlung aus, da die Kombination aus zarten blauen und gelben Farbtönen einerseits und die streng geometrische Musterung andrerseits den Betrachter dieser Teppiche stets von Neuem zu faszinieren vermochte.
Eine der charakteristischen Muster des Baku-Gebietes besitzen die Teppiche aus Chila. Diese Teppiche sind benannt nach dem berühmten Vorort von Baku. Die Musterung ist ein Boteh-Muster auf tiefblauem Fond. Die Hauptbordüre stellt die typische Chila-Vogel-Bordüre dar. Diese Bordüre erkennt man daran, daß die Vögel auf Stange sitzen, sodass sich die Vermutung aufdrängt, daß es um Jagdfalken beziehungsweise um Greifvögel handelt. Die Nebenbordüre, die das Innenfeld begrenzt, hat das sogenannte Barbierstangen-Ornament als Hauptmuster.
Obwohl die Teppiche aus Chila im Vergleich zu Schirwan-Teppichen weniger fein geknüpft sind Chila-Baku-Teppiche wegen ihrer Seltenheit besonders gesuchte Sammlerstücke.
- Kuba
Das Kuba-Knüpfgebiet zählt zu den wichtigsten Zentren der kaukasischen Teppicherzeugung. Die Region ist im Süden vom Schirwan-Gebiet, im Norden vom Bergland Daghestans eingegrenzt, im Osten reicht es an das Kaspische Meer und im Westen stößt das Kuba-Gebiet an die Ausläufer des großen Kaukasus.
Der Flor ist sehr dicht, spiegelglatt geschoren und aus bestem Wollmaterial. Die feine Knüpfung, die selbst im Vergleich zum Schirwan-Gebiet noch feiner ist, macht diese Teppiche zu besonders beliebten Exemplaren kaukasischer Knüpftradition.
Die strukturellen Merkmale des Kuba-Gebietes sind einerseits die leicht geschichtete (bis maximal 45°) Kette, die den Griff des Teppichs etwas ripsartig anfühlen läßt. Die Wollschüsse sind kaum sichtbar.
Die Oberkantenabschlüsse erfolgen im Kuba-Distrikt meist durch Abknotung der naturbelassenen, hellen Wollketten. Bevor man die Kettfäden (=Fransen) abknotet, werden drei Reihen in Fischgrät-Sumach-Webtechnik eingetragen. Die Unterkanten sind entweder mit der Oberkantenbefestigung identisch, oder die Kettfäden werden wabenartig abgeflochten. Die Seitenkante wird meist durch eine blaue Schirasi (=Einfassung) aus Wolle oder Baumwolle (in späteren Stücken) geschützt.
Ebenso wie im Schirwan-Knüpfgebiet läßt sich der Kuba-Teppich nicht schematisieren. Die bekanntesten Muster des Kuba-Distrikts seien im folgenden genannt:
- Karagashli: Karagashli ist eine Ortschaft, die nördlich von Perepedil und südlich von Seichur liegt. In dieser Ortschaft werden Teppiche geknüpft, die durch besondere Exaktheit und Feinheit hervorstechen Als Fondfarben wurden hauptsächlich tiefe, leuchtende Blau-Farbtöne verwendet. Aus dieser Hintergrundfarbe sticht ein Medaillon in roter Farbe her-
- Konagend: Die Ortschaft Konagend liegt südlich von Tschitschi im Kuba-Distrikt. Konagend-Teppiche haben drei, in einem tiefen Kolorit-Blau gehaltene, aber im Design unterschiedliche Standardmuster:
- Das kreuzförmige, gestufte Medaillon, das fast das gesamte Feld.
- Den Odrutsch-Konagend, bei dessen Motiven ebenfalls der turkmenische Einfluß sichtbar ist. Er zeigt drei Göls, mit Vogeldarstellungen, die durch Querbalken verbunden werden.
- Der dritte Typus ist ein fortlaufender Rapport aus Gitterarabesken und einem Wabenmotiv. Die Hauptbordüre stellt die sogenannte "Kufi"-Bordüre dar. Die Farbgebung ist meist in weichen, zarten, blauen Pastelltönen gehalten.
- Tschitschi: Das Dorf Tschitschi liegt südlich von Kuba, wo mehrheitlich Tschetschenen leben (deren Hauptanteil im nördlichen Daghestan beheimatet sind) leben. Ihre Teppiche weisen mosaikartige und feingezeichnete Musterung auf. Die Tschitschi-Teppiche erkennt man oft schon an ihrer Hauptbordüre, die eine Rosette darstellt, die jeweils mit Querbalken verbunden sind. Ein weiteres Merkmal ist die horizontale Reihung der Motive, die verschiedenartig kombiniert wurden:
- Eine Reihe weist minutiös gearbeitete, hakenbesetzte Stufenpolygone auf, die farblich variieren.
- Ein weiteres Motiv stellen geometrisch aufgebaute Miniaturoktogone mit Fünfpunkt-Würfel und einem Turkmotiv im Kern.
- Achtzacksterne, deren Zacken zweifarbig gehalten sind, die den Medersternen ähnlich sehen.
In den einzelnen Teppichen wird entweder eine oder die andere Musterreihe besonders betont, sodass immer wieder ein neues Erscheinungsbild entsteht.
(Abbildung 11, Quelle: Georg & Aznif)
- Perepedil: Im Süden des Kuba-Distrikts liegt das Dorf Perepedil, wo Teppiche mit einem unverwechselbaren Muster geknüpft werden. Auf meist dunkelblauem Fond (sehr selten auch weißgrundige oder rotgrundige Teppiche, die daher wertvoller sind) liegen in gestochen scharfer Zeichnung weit geschwungene Widderhörner, sogenannte
"Wurmas", die in roter und weißer Farbe hervorstechen und mit dem Karagashli Motiv abwechseln. Das Karagashli-Motiv ist von einem Fabeltier umstellt, daß nicht ein sechsbeiniges
Insekt zeigt, sondern eigentlich einen abstrahierten Vogel darstellen soll. Von der Seitenkante gehen in Höhe der Karagashli-Motive balkenartige "Schwerter" weg, die vielleicht auf die Reste einer früheren Kassettierung schließen lassen. Die Hauptbordüre zeigt die bei alten Kubas sehr beliebte "Kufi"-Bordüre, die wegen ihrer Ähnlichkeit zur mittelalterlich-islamischen kufischen Schrift ihren Namen verdankt.
- Seichur: Seichur ist eine Siedlung am Samur-Fluß, in der Nähe des Kaspischen Meeres, im nördlichen Kuba-Gebiet. Die gleichnamigen Teppiche wurden von der Volksgruppe der Kewsuren, einer turk-tatarischen Restgruppe geknüpft. Die Kewsuren sind eine ethnische Minorität im Kuba-Distrikt, die über eine uralte eigene Kultur verfügen. Der Legende nach sprengten sich die Kewsuren von mongolischen Reitern ab und ließen sich in der Talschlucht des Samur nieder. Ihre Sprache ist ein schwieriger Dialekt des Georgischen, für den es keine Schriftform gibt. In der Religion gehören sie zwar dem Islam sunnitischer Richtung an, wobei sich jedoch noch Tieropfer aus dem vorislamischen Heidenkult erhalten haben. Eines ihrer größten künstlerischen Ausdrucksmittel stellt die Teppichknüpfkunst dar. Abgesehen von einem mittelhohen Flor weisen Seichur-Teppiche die üblichen strukturellen Merkmale des Gebietes auf.
Das Hauptmuster der Seichur-Teppiche ist das charakteristische Adreaskreuz. Das Zentrum stellt eine Kreuzrosette dar, von dem in 4 Richtungen Diagonalstreifen ausgehen. Das Muster soll nur einen Ausschnitt aus einem unendlichen Rapport darstellen, wobei sich pro Vertikalreihe 2 bis 5 solche "Andreaskreuze" wiederholen. Die Grundfarbe des Seichurs ist meist ein dunkles Blau, wobei selten auch eine naturbelassene weiße, schwarzbraune oder rote Grundfarbe vorkommt.
Ein weiteres Charakteristikum stellt die lediglich zweifach ausgeführte Hauptbordüre dar. Die äußerste Bordüre ist meist die weiß-blau gehaltene, sogenannte "Georgische Bordüre". Die georgische Borte stellt Berge, überschlagende Wellen über eine lodernde Flamme dar, die im Musterschatz Ostturkestans und Chinas als Vierelemente-Borte (Chai-shui-chiang-ya) bekannt ist. Die Georgische Bordüre ist oft im Handel mit dem "laufenden" Hund-Muster verwechselt worden.
Seichurs werden ebenfalls von den Bergvölkern der Zachuren, Kumücken und Tabassaraner gerne geknüpft. Die Seichur-Teppiche dieser Völker haben meist von den europäischen Sa-vonerien "fruchtbare" Ideen erhalten, wie Blumen, Tierdarstellungen und Portraiteppiche, sodass man froh sein muß, daß die Einflüsse Europas nicht immer so deutlich ihren Niederschlag gefunden haben. (Abbildung 12, Quelle: Spongobongo.com)
- Zeijwa: Zeijwa ist eine Ortschaft in der Nähe von Tschitschi, wo Teppiche geknüpft werden, die in ihrer Ornamentik derart einprägsam sind, dass sie kaum mit Teppichen anderer Provenienzen verwechselt werden können.
Auf dunkelblauem Fond werden meist strahlenartige Muster dargestellt, die entweder in Form von drei übereinander gelagerter Medaillons oder in Form des unendlichen Rapports zum Ausdruck kommen. Das sogenannte "Sunburst"-Motiv, wie es in der englischen Literatur genannt wird, zeigt eine auffallende Ähnlichkeit zum Adlermotiv des Adlerkasaks. Bei den meist dreifach angelegten Bordüren werden in den Nebenborten meist dieselbe Motivierung verwendet. Teppiche aus Zeijwa kommen in mittelfeiner bis feiner Knüpfung vor. (Abbildung 13, Quelle: Spongobongo.com)
- Weitere Teppiche aus dem Kuba-Gebiet, die anhand ihrer Musterung klassifiziert werden:
- "Awshan"-Muster oder Blattgabel-Kuba Der Terminus "Awshan" stammt aus dem Persischen und bezeichnet einen Flächenrapport oder "All-over"-Muster., das bei manchen Kubas in Form von Blattgabeln dargestellt werden. Der sowjetische Teppichforscher Kerimov, der leider nicht mehr lebt, bezeichnete dieses Muster Sadschajad-Motiv. Das Blattgabelmotiv zeigt Parallelen zum Viererwirbel des sogenannten "Vogel-Uschaks" und Swastika-Teppichen des Kaukasus.
- Vogel-Kuba: Die Vogel-Kubas sind meist auf einem tiefblau bis grau-blau Fond gehalten. Um ein Zentralmotiv reihen sich gespiegelt jeweils zwei entweder realistisch oder stark stilisierte Vogeldarstellungen, die wiederum an die Ähnlichkeit zum Vogel Uschak erinnern.
- Gebetsteppiche aus dem Kuba-Distrikt: Bei den Gebetsteppichen aus dem Kuba-Distrikt lässt sich sehr wenig allgemeines sagen. Es gilt, dass jeder Gebetsteppich ein Individualist in seiner Musterung ist. Meist ist das Innenfeld des Gebetsgiebels mit einem All-over-Muster dekoriert, das meist in wabenartige Felder eingeteilt ist. Sehr oft finden wir das Thron-Motiv in Gebetsgiebel.
- Alpan-Kuba: Das Charakteristikum des Alpan-Kubas sind die rautenförmigen Medaillons, die seitenparallel von vier längsgestreckten Hexagonen begleitet werden. Ein weiters Motiv des Alpan-Kuba ist das sogenannte Vasen-Motiv. Ob es sich bei diesem Motiv tatsächlich um eine Vase handelt oder ob es ein Tierfell-Motiv darstellen soll, ist im Rahmen der Diskussion, die diese Unklarheit ausgelöst hat, noch nimmer nicht geklärt. Es bedarf eines älteren Exemplares, um eventuell Schlüsse zur Beantwortung dieser Frage zu erhalten.
- Daghestan
Daghestan, wörtlich das "Bergland" liegt nördlich des Kuba-Gebietes und zieht sich entlang der Kuban-Niederung zum Ufer des Kaspischen Meeres hinunter. In den zahlreichen abgeschlossenen Bergtälern hat sich eine Vielzahl von kleinen Völkerschaften erhalten. Außer den zahlenmäßig bedeutendsten Ethnien, wie Lesghier, Tschetschenen und Awaren, haben sich im Daghestan viele kleinere Ethnien wie Laken, Draginer, Agulen, Tscherkessen, Ku-mücken und weitere 30 Völker erhalten, sodass eine einheitliche Einteilung der Teppiche dieser Region unmöglich erscheint.
Daghestan ist ein Knüpfgebiet mit alter Tradition. Schon Herodot, der griechische Historiker der Antike, rühmt die hervorragende kaukasische Färbekunst, die im 10. Jahrhundert von den Arabern bestätigt wird. Im Daghestan werden jedoch auch andere Objekte materieller Kultur erzeugt, von denen die Kupfer und Goldschmiedearbeiten überregionale Bekanntheit erlangt haben.
Im Gegensatz zum glatten Rücken der Teppiche des Schirwan-Distrikts, weisen die Teppiche des Daghestan strukturell eine ziemlich starke Schichtung oder Staffelung der Kettfäden (bis zu 75 '), die dem Rücken einen ripsartigen Griff verleihen. Die Oberkantenabschlüsse des Daghestan-Teppichs wurden oft durch mehrere Sumach-Stichreihen befestigt. Die weißen, manchmal auch braunen Kettfäden wurden zweireihig verknotet. Die Knoten waren jedoch dicker als im Kuba-Schirwan-Gebiet.
Die Unterkanten sind ähnlich der Oberkantenabschlüsse, wobei mit roter oder blauer Wolle einige Sumach-Stichreihen die Sicherung des Hauptteppichs vornehmen. Wie an der Oberkante werden die eher dickeren Kettfäden fast ausnahmslos zweireihig, netzartig verknotet. Die Teppiche des Daghestans wurden auf hellem Fond sehr oft datiert (islamische Datierung) und waren nicht selten rapportmäßig durchgemustert.
Daghestan hat einen bemerkenswert hohen Bevölkerungsanteil an Tschetschenen, die in ihrer Ornamentik den Tschitschi-Teppichen des Kuba-Distrikts sehr ähnlich sehen. Helle Farbtöne sind für Daghestan-Teppiche charakteristisch. Die Hauptstadt des Daghestan-Distrikts ist Derbent, die die einzige Eintrittspforte in den Kaukasus vom Norden her darstellt und bereits dem russischen Zar Peter dem Großen große Schwierigkeiten bei der Eroberung bereitete. Als er diese erobert hatte ließ er eine zusätzliche Mauer von 150 km länge erbauen. In dieser multikulturellen Stadt flossen bereits früh neben Einflüsse des gesamten kaukasischen Raumes auch zahlreiche kulturelle Impulse aus Turkmenistan ein. In der Knüpfung ist der Derbent weniger dicht wie die übrigen Teppiche des Daghestan.
Die Gebetsteppiche des Daghestan-Distrikts haben besondere Leuchtkraft und weisen wie die meisten Gebetsteppiche des Ostkaukasus meist wabenartige All-over-Muster auf. Meist auf cremweißen Hintergrund kommt der Balken-Giebel, der die charakteristische Giebelform des gesamten Kaukasus ist, auch manchmal gezackt vor. (Abbildung 14, Quelle: Spongobongo.com)
- Lesghistan
Die Teppiche aus Lesghistan sind von der Teppichwissenschaft bisher stiefmütterlich behandelt worden, sodass es eine dankenswerte Aufgabe wäre, wenn ein Teppichforscher die Kriterien der alten und antiken Lesghi-Teppichen neu definieren würde. Die Völkerfamilie der Lesghier lebt im nordwestlichen Daghestan in Terassendörfern, wo sie diese bezaubernden Teppiche schufen.
Eines der Standardmuster ist ein acht strahliger Stern, der in kontrastierenden Farben gehalten ist, wobei die Zacken meist zweifach oder dreifach übereinanderliegende. Dieser sogenannte Lesghi-Stern war im Laufe der Zeit ein beliebtes Teppichmuster auch im außerkaukasischen Raum, sodass nicht jeder Teppich mit dem Lesghi-Stern unbedingt von den Lesghiern hergestellt wurde. (Abbildung 15, Privatbesitz Kunde, Wien)
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